Sonntag, 14. Juni 2015

[Rezension] Wintermädchen





  • von Laurie Halse Anderson
  • Englischer Titel:Wintergirls
  • übersetzt von Salah Naoura
  • Ravensburger
  • 352 Seiten
  • ISBN: 978-3-473-58404-8







Inhalt: Lia lernt Cassie kennen, als diese in die Nachbarschaft zieht. Bald schließen sie Freundschaft und werden unzertrennlich. An Silvester schließen die beiden schließlich einen Pakt, fast schon eine Wette: Sie wollen die schlankesten Mädchen an ihrer Schule sein.
Lia wird darauf hin magersüchtig, zählt Kalorien und treibt übermäßig viel Sport. Carrie versucht ihr Ziel mit Bulimie zu erreichen.
Jahre später - die Freundschaft der Mädchen wurde von ihren Eltern unterbunden und sie haben sich bereits neun Monate weder gesehen, noch gesprochen - wird Carrie tot aufgefunden. Im Gateway Motel. Ganz alleine. Und Lia hat 33 verpasste Anrufe auf ihrer Mailbox.  
Lia wurde bereits zweimal stationär behandelt. Nach der Nachricht von Cassies Tod ist sie zum dritten Mal nah dran, sämtliche Grenzen beim Gewichtsverlust zu überschreiten. Lias Eltern, ihre Stiefmutter und Stiefschwester sind in großer Sorge, bemerken aber Lias Tricks und Ticks bezüglich ihres Gewichtes nicht. Noch dazu erscheint Cassie Lia als Geist und versucht, sie zu einem Wintermädchen zu machen.


Meine Meinung:
Ich habe "Speak" von Laurie Halse Anderson gelesen - damals noch zu Schulzeiten und auf englisch -  und war erfüllt von einer Menge negativer Gefühle: Unglaube, Entsetzen, Mitleid, Wut. Und am Schluss ein kleiner Silberstreifen Hoffnung.

Auch  "Wintermädchen" fesselte mich schon nach wenigen Seiten. Aus dem Klappentext geht nicht gleich hervor, dass es sich um ein Buch über Magersucht handelt. Aber dass ein Teenager sich einem Problem alleine stellen muss bzw. keinen anderen Ausweg sieht, war schnell klar.
Das Ganze erlebt man aus Lias Sicht und es wirkt noch bedrückender und authentischer dadurch, dass die Autorin Lia in der Ich-Form und im Präsens erzählen lässt. Durch verschiedene Schriftarten wird hervorgehoben, ob es sich um eine Fantasie, eine Erinnerung oder Schuldgefühle dreht.
Ihr zwanghaftes Verhalten, nach jeder Speise, die sie benennt, die Kalorien zu zählen und gleichzeitig das offensichtliche Verlangen ihres Körpers danach, normal zu essen und endlich wieder zu genießen und zu schmecken und zu leben, haben mich besonders verstört. Gleichzeit war diese Darstellung von Lias Gefühle und Gedanke sehr eindrucksvoll und echt.
Eine Frage, die ihr nun zusätzlich nicht mehr aus dem Kopf geht, die sie aber nie konkret formuliert, ist natürlich, ob sie Cassie hätte helfen können, wenn sie ans Telefon gegangen wäre.

Ich schlage mich, wie viele Frauen, damit herum, dass ich manchmal nicht ganz zufrieden mit meinem Körper bin und gerne etwas dünner werde. Ein Stück weit kann ich Lia deshalb verstehen, warum sie dünner sein möchte. Das dünnste Mädchen der Schule zu sein, scheint mir dagegen ein wahnwitziger Plan zu sein. Gleichzeitig gibt es aber überall auf der Welt Menschen (auch Jungen!), die genau das (durch)machen, was Lia widerfährt.
Irgendetwas bedrückt sie und der Ausweg, den sie für sich gefunden hat, ist dünn-dünner-am-dünnsten zu werden. Obwohl sie kontrolliert und angefeindet wird, obwohl sie in ihrem Unterbewusstsein weiß, dass ihr Verhalten gegen alle Vernunft ist und sie sich selbst und ihrer Familie Schaden zufügt, kann sie nicht aufhören, sich zu Tode zu hungern.
Ich finde es deshalb gut und bin heilfroh, dass Lia es am Ende schafft, aus dem Teufelskreis zu brechen und sich Hilfe zu suchen. Ich hoffe, dass alle, die momentan noch nicht in der Lage sind, nach Hilfe zu fragen, es irgendwann schaffen. Am Besten bevor es zu spät ist, so wie für Cassie.



Fazit: Ein hervorragendes Buch, das unter die Haut geht und zum Nachdenken anregt.




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