Sonntag, 14. Juni 2015

[Rezension] Der Geschmack von Apfelkernen








  • von Katharina Hagena
  • Kiepenheuer&Witsch paperback
  • 255 Seiten
  • ISBN: 978-3-462-04149-1





Inhalt: Iris erbt das Haus ihrer Großmutter Bertha. Nach vielen Jahren betritt sie das Haus, in dem sie einen Großteil ihrer Sommerferien verbracht hat. Doch die magischen Erinnerungen an Verkleidungsspiele mit ihrer Cousine und deren Freundin, an Ausflüge an den See und an geheimnisvolle Geschichten ihrer Tanten weichen schnell der Realität und Iris ist sich nicht sicher, ob sie das Haus überhaupt behalten will. Eigentlich will sie nur ein paar Tage bleiben, doch dann bekommt sie Besuch von Miras Bruder
Während sie durch die verlassenen Zimmer streift, erinnert sie sich an Vergessenes.
Bertha fiel vom Apfelbaum, so wie Rosmarie vor vielen Jahren durch das Glasdach des Wintergartens stürzte. Bertha vergaß am Anfang erst nur, wo sie ihre Brille hingelegt hatte, später erkannte sie nicht einmal mehr ihre Töchter. Drei Generationen gingen ein und aus und erlebten Freud und Leid in diesem Haus. Iris ist ein Teil dieser Familie und ihre Geschichte ist noch nicht zu Ende.

Meine Meinung:
"Und ich stellte fest, dass nicht nur das Vergessen eine Form des Erinnerns war, sondern auch das Erinnern eine Form des Vergessens."

Die Geschichten von den Frauen einer Familie über drei Generationen hinweg faszinieren und berühren. Auf verschiedenen Zeitebenen erfährt der Leser immer mehr über das Leben von Bertha, ihren drei Töchtern und den beiden Enkelinnen.
Mit jeder Seite werden dem Leser mehr Puzzleteile zugespielt und schließlich ergibt sich ein Bild, das letzten Endes vom Leben handelt.
So wie in jeder Familie gibt es auch bei Deelwaters und Lünschens Probleme, Konflikte, aber auch Momente des Glücks und der Zufriedenheit. Iris schließt schließlich mit der Vergangenheit ab und öffnet sich für etwas Neues an einem Ort, der ihr trotz Verdrängtem und Vergessenem immer noch sehr am Herz liegt.
Im Schreibstil der Autorin liegt eine Ruhe, die die Handlung kraftvoll vorantreibt und lebendig hält. Gleichzeitig finden sich immer wieder Gedankengänge von Iris, die alltägliche Beobachtungen macht und über das Leben philosophiert und die mich tief berührt haben.

Mit zwei Stellen konnte ich mich besonders gut identifizieren, die ich hier zum Abschluss mit euch teilen möchte:
"Es stimmte, ich war nicht dünn. Ich war nicht einmal schlank. Ich hatte einen dicken Po und dicke Beine, keinen Busen, aber einen runden Bauch. [....] Es stimme auch, ich aß zu viel. Ich liebte es, zu lesen und dabei zu essen. Ein Brot nach dem anderen, einen Keks nach dem anderen, süß und salzig im Wechsel. [...] Sie wusste, dass sie mich durch diese Sätze demütigte, dass ich beleidigt in mein Zimmer gehen und nicht zum Abendbrot kommen würde und dann später heimlich die Mandeln und die Backschokolade klauen und mit ins Bett nehmen würde. Und ich würde lesen und essen,[...]. Zusammen mit den Mandeln zermalmte ich meine Wut und meinen Ekel vor mir selbst und schluckte dann beides mit Backschokolade hinunter. Und solange ich aß und las, war es gut. Ich war alles, was man sein konnte, nur nicht ich selbst. Bloß durfte ich um keinen Preis aufhören zu lesen."
"Ich trank nicht mit. Alkohol machte mich dumm. Filmriss, Blackout, Bewusstlosigkeit - all solche fürchterlichen Dinge konnten beim Trinken geschehen, das wusse man ja. Und ich hasste es, wenn Rosmarie und Mira Wein tranken. Wenn sie laut wurden und zu viel lachten, was es als klappte ein riesiger Fernsehbildschirm zwischen uns hoch. Durch das Glas konnte ichmeine Kusine und ihre Freundin betrachten wie einen Tierfilm über Riesenspinnen, bei dem der Ton abgedreht war. Ohne die nüchternen Erklärungen des Sprechers blieben die Geschöpfe abstoßend, fremd und hässlich."

Fazit: Ich glaube, man muss diese Art Geschichte mögen, sonst wird einem möglicherweise langweilig. Ich mag sie glücklicherweise sehr und kann mich jedes Mal wieder darin verlieren.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hallo Du,
wie schön, dass du dich hierher verirrt hast.Ich wünsche Dir viel Spaß beim Stöbern!


PS: Und ich freue mich natürlich immer über Kommentare und Feedback....das geht übrigens auch anonym ;)